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Für ein gutes Miteinander von Mensch und Natur

Landesjägermeister Franz Mayr-Melnhof-Saurau im Gespräch mit dem Vorsitzenden der Naturfreunde Steiermark Dr. Jürgen Dumpelnik über den steigenden Druck auf die Natur, die Wichtigkeit aktiver Aufklärungsarbeit und die Rolle des neuen steirischen Mountainbike-Koordinators.

 

 

Eine der vielen Auswirkungen der Corona-Pandemie ist, dass es immer mehr Menschen hinaus in die Natur zieht, was teilweise zu einer Überlastung der beliebten Ausflugsziele führt. Wie schaffen wir es auch in Zukunft, unsere Freizeitbedürfnisse mit dem Schutz der Tier- und Pflanzenwelt in Einklang zu bringen?

 

Mayr-Melnhof-Saurau: Indem wir beim Ausleben unserer Freizeitbedürfnisse die Schutzbedürftigkeit unserer Tier- und Pflanzenwelt erkennen und danach handeln. Viele, die täglich in der Natur zu tun haben und mit ihr leben und arbeiten, vermissen diese scheinbare Selbstverständlichkeit beim erholungsuchenden Besucher oft schmerzlich. Ein Aufwachsen in der Steiermark ist heute nicht mehr automatisch mit einem ständigen Kontakt mit der Natur verbunden. Dadurch fehlt nicht nur das Wissen, sondern auch das Gespür für den Umgang mit unserer Natur und ihren Bewohnern. Hier braucht es dringend Information und Anleitung für den richtigen Umgang. Mit den „Naturwelten Steiermark“ in Mixnitz, dem künftigen Zentrum für den Dialog rund um unsere Natur, schaffen wir genau das: ein umfassendes Angebot für praxisnahe Naturbildung.

 

Dumpelnik: Für die Naturfreunde ist das freie Wegerecht eines der höchsten Güter. Eine Organisation, die das Wort „Freund“ im Namen führt, ist natürlich immer für ein Miteinander zu haben. Insofern geht es uns darum, wechselseitiges Verständnis bei allen Naturnutzenden zu schaffen - bei den Grundbesitzerinnen und -besitzern, bei der Jägerschaft sowie Land- und Forstwirtschaft und natürlich bei den Freizeitsportlerinnen und
-sportlern. Wir setzen auf Information und wechselseitige Rücksichtnahme und die Verhinderung jedweder Zwangsmaßnahmen. Ein konstruktives Miteinander in Form von Lenkungen hat sich in der Vergangenheit bewährt und ist auch ein gutes Konzept für die Zukunft.

 

 

 

Die Auswirkungen des Klimawandels werden auch in der Steiermark immer spürbarer. Wie wird sich der Lebensraum Wald in Zukunft verändern, und was bedeutet das für uns Menschen?

 

Mayr-Melnhof-Saurau: Hier sind aus meiner Sicht zwei Dinge zu trennen: Wir alle sind Teil der Evolution, der ständigen Veränderung, und der Wald der Zukunft ist auch aufgrund dieses ständigen Wandels, den wir wegen unserer vergleichsweise kurzen Lebenszeit nicht so wahrnehmen, anders. Für die vom Menschen verursachte Beschleunigung dieses Wandels müssen wir natürlich Lösungen finden. Der Wald als klimafitter Lebensraum wird mit Extremen zurechtkommen müssen, mit heißen Temperaturen im Sommer, mit Warmwintern und fehlenden Niederschlägen. Dazu kommt die Häufung von Extremereignissen. In meinem Betrieb beschäftigen wir uns aktuell intensiv mit der Genetik von Bäumen, um jene Individuen herauszufiltern, die es schon bisher geschafft haben, auf exponierten Stellen zu überleben. Das ist ein wichtiger Ansatz. Zusätzlich sind die Wahl und Förderung der richtigen Baumarten sehr wichtig. Hier ist der Waldbau gefordert: Wir brauchen artenreiche Waldökosysteme und ein intensives Lernen über Pilze und andere Erreger, die verschiedene Baumarten angreifen. Gesucht sind vielschichtige Antworten auf komplexe Fragen.

 

Dumpelnik: Der Klimawandel ist evident und macht etwas mit unserer Heimat. Tatsache ist, dass sich Baumgrenzen verschieben, die Artenvielfalt sich verändert und elementare Naturereignisse sich häufen. Auf all das muss die Gesellschaft, muss die Steiermark reagieren. Wir können aber nicht alles menschliche Tun einschränken oder verbieten. Es muss die Sensibilität forciert werden, dass ein gutes Miteinander von Mensch, Tier und Umwelt gelebt wird. Ich sage es ganz klar: Wir Naturfreunde haben keine Freude mit freizeitaktiven Menschen, die sich nicht an die Regeln halten, auf den Bergen ihren Müll hinterlassen, die Ruheräume von Wildtieren nicht respektieren oder sehenden Auges unsere alpine Infrastruktur überanstrengen. Deshalb versuchen wir, im breiten Konsens mit allen Stakeholderinnen und Stakeholdern, auf Information zu setzen, Aufklärung zu betreiben und das notwendige Bewusstsein zu schaffen.

 

 

 

Welche Projekte sind in nächster Zeit geplant, um auf die aktuellen Herausforderungen zu reagieren?

 

Mayr-Melnhof-Saurau: Die Steirische Jagd beschreitet derzeit einen völlig neuen Weg: Wir errichten in Mixnitz die „Naturwelten Steiermark“, ein Kompetenzzentrum für den Dialog über unsere Natur. Dort bilden wir nicht nur die steirischen Jägerinnen und Jäger weiter, sondern bieten auch spannende Einblicke in die Natur. Der intensive Austausch aller Naturnutzenden, die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit künftigen Herausforderungen sowie Naturbildung für alle Interessierten werden hier in einer neuen Form angeboten werden. Dieses Großprojekt ist derzeit in der Fertigstellung und geht im Sommer dieses Jahres in Betrieb. Für alle Bevölkerungs- und Altersgruppen wird hier Naturbildung geboten, damit wir mit unser aller Lebensgrundlage so umgehen, dass wir sie auch für unsere Kinder und Enkelkinder erhalten können. Daneben planen wir gemeinsam mit den alpinen Vereinen eine Lösung für die knapper werdenden Winterlebensräume unserer Wildtiere. Der Anteil an nicht ausreichend informierten Naturnutzenden steigt auch in dieser Jahreszeit; hier braucht es Lösungen, die nachvollziehbar sind und akzeptiert werden.

 

Dumpelnik: Wir Naturfreunde betreiben seit jeher aktive Aufklärungs- und Bildungsarbeit. Das bedeutet, dass wir in unserer Öffentlichkeitsarbeit stets auf das Miteinander von Natur und Mensch hinweisen, dass wir in all unseren Ausbildungsprogrammen entsprechende Lehrinhalte in Bezug auf Umweltbildung und Wildökologie vorsehen und dass wir auch auf kurzfristige Entwicklungen mit entsprechenden Angeboten reagieren. Eines von vielen Beispielen ist hier die Ausbildung zur/zum Outdoor-Pädagogin/-Pädagogen, die wir zur Vermittlung von Umweltwissen an Jugendliche ins Leben gerufen haben. Daneben unterstützen wir die Projekte der steirischen Landesjägerschaft mit den „Naturwelten“ sowie die jüngste Initiative zum Schutz der Wildtiere.

 

 

 

Ein Thema, das seit Jahren für heftige Diskussionen sorgt, ist der Ausbau legaler Mountainbike-Strecken. Verglichen mit dem Angebot in anderen Bundesländern und in unseren Nachbarstaaten ist die Steiermark hier zusehends ins Hintertreffen geraten. Welche Lösungsansätze braucht es, um bei diesem Thema endlich Fortschritte zu erzielen?

 

Mayr-Melnhof-Saurau: Unsere Natur mit ihren Bewohnern ist in vielen Gebieten bereits ins Hintertreffen geraten. Das wollen wir in der Steiermark sicher nicht. Das Abwägen von Interessen und die wissenschaftlich basierte Erhebung der Auswirkungen auf ein bestimmtes Gebiet sind die Voraussetzung für ein solches Projekte. Das vergangene Jahr hat uns deutlich gezeigt, dass der Massenandrang in der Natur nicht ungezügelt stattfinden kann. Das halten die Natur und ihre Bewohner auf Dauer nicht aus. Jede zusätzliche Mountainbike-Strecke bewirkt eine Lenkung der Wildtiere, das ist eine Tatsache. Es muss daher im Vorfeld abgeklärt werden, ob das in einem Gebiet tragbar ist oder nicht.

 

Dumpelnik: Diese Thematik ist eine, bei der die Naturfreunde schon vor vielen Jahren die Themenführerschaft übernommen haben und die uns unter den Nägeln brennt. Wir stehen für die Öffnung von Forststraßen zum legalen Mountainbiken, und wir unterstützen alle Formen der Lenkung, damit wir in der Steiermark ein breites und bedarfsorientiertes Mountainbike-Angebot haben, auf das wir stolz sein können. Wir wollen nicht ständig neidvoll auf die Nachbarschaft unseres Bundeslandes blicken müssen.

 

 

 

Die Naturfreunde und andere Freizeitorganisationen setzen sich schon seit Langem für eine zumindest teilweise Öffnung der Forststraßen ein. Warum wurde diese Forderung bislang nicht als Teil des Lösungsansatzes in Betracht gezogen?

 

Mayr-Melnhof-Saurau: Ich habe vorher das Wort „Naturbildung“ verwendet. Das bedeutet für mich auch, die Verletzlichkeit unserer Natur zu begreifen. Wer begreift, wie weit wir die letzten Rückzugsgebiete unserer Wildtiere bereits in Anspruch nehmen, wird nicht rücksichtslos auch die Aufgabe der letzten Winkel fordern. Wir selbst leben gerne in ruhigen Seitenstraßen mit möglichst wenig Verkehr. Maßnahmen, die in Wohngebieten zu einem erhöhten Verkehrsaufkommen führen, sind höchst umstritten und stoßen auf vehementen Widerstand. Unsere Wildtiere können sich nicht wehren. Sie werden nicht gefragt, ob sie statt in einer ruhigen Seitenstraße plötzlich an einer stark frequentierten Durchzugsstraße leben möchten. Ein sehr sensibler Umgang mit Wildlebensräumen, in die man Mountainbike-Strecken legen möchte, ist wohl für alle Beteiligten selbstverständlich. Wer die Öffnung von Forststraßen fordert, muss sich auch mit den Lebensbedingungen der Tierwelt beschäftigen. Wir können nicht im Straßenbau die Wanderwege von Amphibien berücksichtigen und im selben Atemzug die Bedürfnisse unserer großen Säugetiere ignorieren, wenn man Projekte plant, die mitten in deren Lebensraum stattfinden sollen. Einige Projekte in jüngster Zeit haben gezeigt, dass ein Miteinander möglich ist, wenn all diese Aspekte berücksichtigt werden.

 

Dumpelnik: Für uns Naturfreunde wäre die Öffnung der Forststraßen für MountainbikerInnen gut vorstellbar. Erfahrungen aus vielen anderen Ländern zeigen, dass eine Gewöhnung des Wildes durchaus gegeben ist, solange die Aktivitäten in geordneten Bahnen verlaufen. Weshalb ich auch deutlich sagen muss, dass wir Naturfreunde nicht dafür eintreten, dass MountainbikerInnen auch auf Wanderwegen unterwegs sein dürfen. Diese Forderung anderer Interessengruppen lehnen wir ab. Wir treten für ausgewiesene Trails und exklusive MTB-Strecken ein, damit weitestgehend ein gutes Miteinander gegeben ist.

 

 

 

In den nächsten Monaten nimmt der neu eingesetzte Mountainbike-Koordinator des Landes Steiermark seine Arbeit auf. Welche Aufgaben kommen auf ihn zu?

 

Mayr-Melnhof-Saurau: Ich freue mich sehr darüber, dass mit Markus Pekoll jemand gefunden wurde, der aufgrund seiner Ausbildung und seines beruflichen Werdeganges über Naturkompetenz verfügt. Jemandem wie ihm muss man nicht erst erklären, dass die zu erwartende Frequenz auf einer Mountainbike-Strecke beim aktuellen und sicher noch ansteigenden E-Bike-Boom enorme Auswirkungen auf einen Wildlebensraum hat. Den ganzheitlichen Blick auf die Natur, die eben nicht nur ein Hobbyraum ist, bringt er sicher mit. Lösungsorientierte Dialoge und die Suche nach tragfähigen Lösungen, bei der unterschiedliche Interessen auch unterschiedliches Gewicht haben, werden für ihn sicher eine große Herausforderung sein. Ich blicke den angekündigten Gesprächen sehr zuversichtlich entgegen.

 

Dumpelnik: Auch wir Naturfreunde dürfen Markus Pekoll auf diesem Weg herzlich zur Bestellung zum Mountainbike-Koordinator gratulieren. Wir freuen uns, dass diese langjährige Forderung der Naturfreunde nunmehr erfüllt und damit die Grundlage für ein konstruktives Miteinander geschaffen wurde. Dass das Land Steiermark sich zu diesem Thema bekennt und ihm mit der Installierung eines eigenen Koordinators auch entsprechendes offizielles Gewicht verleiht, kann für die weitere Entwicklung der Steiermark hin zu einem attraktiven Mountainbike-Bundesland nur gut sein. Die Naturfreunde werden Markus Pekoll jedenfalls gerne unterstützen!

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