Die Einsätze der Bergrettung werden oft als selbstverständlich wahrgenommen. Wo es im Winter vermehrt zu Unfällen kommt, was bei einem Bergrettungseinsatz im Hintergrund alles geschieht und wie man überhaupt Bergretter wird, erfährst du im folgenden Artikel.
Text und Fotos: Martin Edlinger, Leiter der Abteilung Bergsport & Schitouren der Naturfreunde Österreich und Einsatzleiter der Bergrettung Knittelfeld
Die Bergwelt fasziniert viele, doch sie birgt auch erhebliche Gefahren. Ein weit verbreiteter Irrglaube ist, dass ein einfacher Notruf ausreicht, um nach einem Bergunfall sofort gerettet zu werden. Tatsächlich steht bei jedem Einsatz eine sorgfältige Risikoabwägung im Vordergrund, besonders im Winter, wenn zusätzliche Gefahren wie Lawinen drohen. Die Retter*innen müssen stets abwägen, ob sie sich bei einer Rettungsaktion selbst in Gefahr bringen würden. Diese Entscheidungen sind oft komplex und erfordern viel Erfahrung und Wissen über die aktuellen Bedingungen am Berg. Während viele Ortsstellen der Bergrettung eine überschaubare Anzahl von Einsätzen pro Jahr haben, ist die Anzahl der Einsätze vor allem in den touristischen Gebieten rund um Schladming und in den klassischen Schitouren-Hotspots in der Steiermark in den letzten Jahren deutlich gestiegen. In Gebieten mit hoher Frequenz muss die Bergrettung saisonal beinahe täglich, oft sogar mehrmals am Tag ausrücken. Oft sind es neben Schitourengeherinnen und -gehern auch verletzte Schifahrer*innen, die nach Pistenschluss noch unterwegs sind und einen Einsatz auslösen. Dies stellt die betroffenen Ortsstellen vor große Herausforderungen. Immerhin wird die Arbeit der Bergrettung ehrenamtlich geleistet, und jeder Einsatz fordert entsprechende Ressourcen.
Vom Notruf bis zum Einsatz
Ruft jemand in der Steiermark den Alpinnotruf 140, wird der Anruf von der Landeswarnzentrale in Graz entgegengenommen. Die Landeswarnzentrale nimmt die Informationen auf und leitet sie an die zuständige Ortsstelle weiter. Dies funktioniert ähnlich wie beim Roten Kreuz. Im Gegensatz zum Roten Kreuz stimmt sich die Landeswarnzentrale auch immer mit der Einsatzleiterin oder dem Einsatzleiter vor Ort ab, da ein alpiner Rettungseinsatz nicht ganz mit einem Rettungseinsatz beispielsweise auf einer Autobahn vergleichbar ist. So gilt es in erster Linie zu klären, wie man überhaupt zum Unfallort kommt. Braucht man einen Hubschrauber? Kommt man eventuell mit dem Auto hin? Wie sind die Wetterverhältnisse? Braucht man ein größeres Team und daher die Unterstützung anderer Ortsstellen usw. Eine reibungslose Koordination zwischen den verschiedenen Einheiten und eine schnelle Reaktionszeit sind von entscheidender Bedeutung, um Leben zu retten.
Wie wird man Bergretter*in?
Die Gründe, warum man zur Bergrettung geht, sind vielfältig. In aller erster Linie geht es darum, Leben zu retten. Ich selbst bin zur Bergrettung über einen Naturfreunde-Kletterkurs gekommen, dessen Guides auch bei der Bergrettung waren. Diese hat entsprechende Aufnahmekriterien. In der Regel findet pro Ortsstelle eine Aufnahmesichtung bzw. ein Aufnahmegespräch statt. Bergretter*in zu werden dauert insgesamt drei Jahre. Das erste Jahr ist das Probejahr, in dem man in der Ortsstelle mitarbeitet, aber noch über keine offizielle Ausbildung verfügt. Nach der eigentlichen Anwärterüberprüfung muss man einen einwöchigen Winter- und einen einwöchigen Sommerkurs absolvieren. Abgesehen davon wird man in der Ortsstelle laufend geschult, sodass man nach drei Jahren die Ausbildung mit einer Prüfung abschließen kann. Die Ausbildung umfasst sowohl theoretische als auch praktische Elemente. Die Anwärter*innen lernen, wie man sich in verschiedenen alpinen Situationen verhält, wie man Erste Hilfe leistet und wie man Bergungstechniken anwendet.
In der Steiermark gibt es jährlich zwei Aufnahme-Turnusse mit jeweils 30 Anwärterinnen und Anwärtern. Die meisten haben bereits vor der Aufnahmeprüfung in ihrer Ortsstelle mitgeholfen und sind gut integriert. Die Bewerber*innen müssen bereits erfahrene Alpinistinnen und Alpinisten sein und entsprechende Kenntnisse nachweisen. Bei der Auswahl der Kandidatinnen und Kandidaten wird auf eine breite Palette von Fähigkeiten geachtet. Das sichere und risikobewusste Bewegen im Gelände wird vorausgesetzt. Auch nach der Ausbildung sind regelmäßige Übungen und Fortbildungen Pflicht, um stets auf dem neuesten Stand der Rettungstechnik zu bleiben. Diese kontinuierliche Weiterbildung ist entscheidend, um die hohe Qualität der Bergrettung zu gewährleisten und sicherzustellen, dass die Retter*innen in jeder Situation optimal vorbereitet sind.