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Ja zur Renaturierung

Gerald Pfiffinger zufolge ist Österreichs Zustimmung zum Nature Restoration Law (NRL) eine verantwortungsbewusste, richtungsweisende Entscheidung zum Schutz unserer Natur und Grundlage für das Überleben der jetzigen und kommenden Generationen. Mehr darüber im folgenden Gespräch mit dem Geschäftsführer des Umweltdachverbands.

Die Interviewfragen stellte Michaela Bauregger, Referentin für Umweltschutz der Naturfreunde Steiermark. Fotos: Gabriele Moser, Tina Leonhard, Mathilde Stallegger, ÖBMV

 

Was steckt hinter der EU-Verordnung zur Wiederherstellung degradierter Ökosysteme (= Nature Restoration Law)? Warum ist sie so wichtig?

Dahinter steckt nicht weniger als das EU-weite verbindliche Vorhaben, einen positiven Trend in puncto Biodiversität einzuleiten und zerstörte Ökosysteme wiederherzustellen. Konkret heißt das: Bis 2030 sollen mindestens 20 Prozent der Land- und Meeresflächen der EU, bis 2050 alle betroffenen Ökosysteme innerhalb der EU in einen guten ökologischen Zustand gebracht werden. Diese ambitionierten Ziele wurden dringend notwendig: Europaweit sind mehr als 80 Prozent der geschützten Arten und Lebensräume in keinem günstigen Zustand.

 

Warum wurde das NRL bereits im Vorfeld über Jahre so kontrovers diskutiert?
Eine derart weitreichende Entscheidung bedeutet natürlich auch ein großes politisches Kräftemessen. Nicht alle Interessenvertretungen haben eine tatsächlich nachhaltig wirksame Wirtschaftspolitik im Sinn. Die zahlreichen Diskussionen und Überarbeitungen im Vorfeld haben schließlich dazu geführt, dass eine umfassender abgestimmte und realistischer umsetzbare Verordnung beschlossen wurde.

 

Der Umweltdachverband hat den Beschluss des NRL als richtige und wichtige Entscheidung für die Natur begrüßt. Was sind seine wichtigsten Inhalte?

Zu den ganz großen Zielen der Verordnung gehört u. a. die Wiederherstellung von Land- und Süßwasser-Ökosystemen mit dem Ziel, Lebensraumtypen und Habitate von Arten in einen guten Zustand zu bringen. Aber es geht auch um die Wiederherstellung von zum Beispiel städtischen Ökosystemen, die in Anbetracht der zunehmenden Wetterextreme wie Extremhitze und Starkregen wichtig sind.

 

Welche Chancen bietet das NRL für die österreichische Wirtschaft?
Wirtschaftsakteurinnen und -akteure befürchten vorwiegend Nachteile durch Nutzungseinschränkungen. Insbesondere für die Klimawandelanpassung in der Land- und Forstwirtschaft bietet das NRL aber auch Chancen – zu nennen sind hier etwa der Aufbau klimafitter Wälder oder der Wasserrückhalt für die Landwirtschaft. Das Gesetz bietet zudem vor allem kleinstrukturierten land- und forstwirtschaftlichen Betrieben, die bereits viel zum Erhalt wertvoller Naturräume beitragen, die Chance, ihre Leistungen über eine freiwillige Teilnahme am Vertragsnaturschutz abgelten zu lassen. Und: Jeder investierte Euro generiert laut Wirkungsanalyse der EU-Kommission bis zum Jahr 2070 einen Mehrwert von durchschnittlich 12 Euro.

 

Besonders kritische Stimmen sprechen im Kontext des NRL von Enteignung und der Gefährdung der Lebensmittelsicherheit. Sind diese Ängste berechtigt?

In dieser überhöhten Darstellung sind die Ängste wohl nicht berechtigt und entbehren – insbesondere in puncto Lebensmittelsicherheit – einer faktischen Grundlage. Im Gegenteil: Die Ernährungssicherheit ist sogar als ein zentrales Ziel der Verordnung definiert. Auch Enteignungen stellen – allein aus rechtlicher Perspektive – kein realistisches Szenario dar. Man muss jedoch die Sorgen von Grundbesitzerinnen und -besitzern äußerst ernst nehmen und offene Fragen zu Veränderungen von Fördergeldern oder Bewirtschaftungsauflagen diskutieren.

 

Wie geht es in Österreich jetzt weiter?

Aktuell gilt es, den Auftrag zur Rettung der Natur in einen nationalen Wiederherstellungsplan zu übersetzen, der bis 1. September 2026 der EU-Kommission zur Prüfung übermittelt werden muss. In Österreich wurde auch in der Vergangenheit schon viel für die Renaturierung getan, wir können hier also aus zahlreichen positiven Erfahrungen schöpfen. Man muss nun analysieren, in welchen Regionen sich welche Ziele erreichen lassen und welche Standorte für Renaturierungen geeignet sind.

 

Welche Herausforderungen kommen dabei auf uns zu?
Das Nature Restoration Law ist ein großes Unterfangen und kann auf den ersten Blick überfordern. Daher ist es umso wichtiger, von Anfang an alle Betroffenen und Interessengruppen ins Boot zu holen und gemeinsam machbare Lösungen zu erarbeiten. Wenn es gelingt, einen konstruktiven Austausch zu schaffen, wird auch der gemeinsame Mut entstehen, den es für den erstrebenswerten Einklang von Mensch und Natur braucht.

 

Weitere Infos: umweltbundesamt.at > Umweltthemen > Naturschutz > Wiederherstellung geschädigter Ökosysteme

 

Zitat: Mithilfe des Nature Restoration Law sollen die Leistungen, die eine intakte Natur für die Menschen erbringt, erhalten bzw. ermöglicht werden.

Auch die Wiederherstellung einer bäuerlichen Kulturlandschaft stellt eine Maßnahme im Sinn des NRL dar.
Moore sind im Kampf gegen die Klimaerwärmung und für den Biodiversitätsschutz wahre Superhelden  die Renaturierung geschädigter Moore ist daher ein zentrales Ziel des NRL.
Mag. Gerald Pfiffinger ist seit 2017 Geschäftsführer des Umweltdachverbandes. Davor hatte er 13 Jahre lang die Geschäftsführung von BirdLife Österreich inne.
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