steiermark.naturfreunde.at

Ein bedarfsgerechtes MTB-Angebot schaffen!

Mountainbiken > Steiermarks erster Mountainbike-Koordinator Markus Pekoll im Gespräch mit dem Vorsitzenden der Naturfreunde Steiermark Dr. Jürgen Dumpelnik über den Ausbau legaler Mountainbike-Strecken, herrschende Interessenkonflikte und die Herausforderungen des E-Bike-Booms.

 

Zu Beginn eine kurze Bestandsaufnahme: Wo steht die Steiermark derzeit im Vergleich zu anderen Bundesländern, was das Angebot für MountainbikerInnen betrifft?

 

Pekoll: Das ist gar nicht so einfach zu beantworten. Wir erheben nämlich gerade erst, wie viele legale Mountainbike-Strecken es in der Steiermark tatsächlich gibt. Natürlich haben wir bereits einige Routen. Doch diese sind meist weder zeitgemäß beschildert noch digital erfasst. Hier besteht noch viel Aufholbedarf.

 

Dumpelnik: Dass wir einen Aufholbedarf haben, kann ich bestätigen. Auch im internationalen Vergleich. In vielen Staaten ist es allein von der Rechtslage her viel einfacher, mit dem Mountainbike unterwegs zu sein, weil es mehr Freiheiten gibt, Berge, Wälder und Wege zu benutzen.

 

 

Welche konkreten Schritte werden in nächster Zeit unternommen, um in der Steiermark den Ausbau legaler Mountainbike-Strecken zu forcieren?

 

Pekoll: Wir haben in Österreich eine besondere Rechtslage, welche die Situation sowohl für die MountainbikerInnen als auch für die GrundbesitzerInnen teilweise sehr schwierig macht. In erster Linie geht es jetzt darum, das vorhandene MTB-Aufkommen erst einmal in geordnete Bahnen zu lenken. Ziel muss es sein, ein attraktives Angebot zu schaffen, und da können wir uns sehr schöne Beispiele in anderen Ländern ansehen. In Schottland, Wales, Tschechien, Polen und in der Slowakei wird ähnlich wie in der Steiermark intensive Forstwirtschaft betrieben. In puncto Mountainbiken arbeitet man dort mit einer klaren Lenkung und attraktiven Angeboten mittels Trailcentern, die über Routen auf Forststraßen und Radwegen verbunden sind. In einem Trailcenter findet man Bike-Strecken in allen Schwierigkeitsstufen vor, wobei der Fokus ganz klar auf einfachen Strecken liegt. Diese Trailcenter werden alle ohne Lift als Aufstiegshilfe betrieben.

 

Dumpelnik: Ich bin zunächst einmal froh, dass es jetzt für die Steiermark einen Mountainbike-Koordinator gibt. Das ist entscheidend, um in der Entwicklung von Lenkung, Ausbau und Bedarfsdeckung weiterzukommen. Da bei uns die Rechtslage besonders restriktiv ist, geht alles nur im Konsens. Wir sind daher dankbar, dass wir nun einen Mountainbike-Koordinator haben, der versuchen wird, einen Konsens herzustellen, damit konstruktive Lösungen gefunden werden und das Angebot sukzessive erweitert wird.

 

 

Wo bestehen derzeit die größten Interessenkonflikte, und wie lassen sich diese am besten lösen?

 

Pekoll: Der Großteil meiner Gespräche in den letzten Monaten mit Vertreterinnen und Vertretern der Gemeinden und diverser Vereine sowie Grundbesitzerinnen und -besitzern hat gezeigt, dass alle proaktiv etwas gestalten möchten und sich fragen, wie man das am besten angehen könnte. Ein Thema, das noch oft für Bedenken sorgt, ist die Haftungsfrage. Dabei gibt es bereits Produkte wie die steirische Freizeit-Polizze (= eine Haftpflichtversicherung, die das Tourismusressort des Landes Steiermark für alle GrundeigentümerInnen bzw. WegehalterInnen sowie für Gemeinden und Vereine, die Wege für den Tourismus zur Verfügung stellen, abgeschlossen hat) oder Musterverträge, die GrundbesitzerInnen sowie StreckenbetreiberInnen, beispielsweise Gemeinden, schützen. Hier müssen wir in Zukunft noch mehr Vertrauen aufbauen und entsprechend informieren. Mountainbiken als Breitensport lässt sich ja nicht mehr wegdenken. Was es braucht, ist ein bedarfsgerechtes Angebot, damit MountainbikerInnen nicht dorthin ausweichen, wo sie eigentlich nicht unterwegs sein sollten.

 

Dumpelnik: Durch die ungebrochene Beliebtheit des Mountainbikens entstehen natürlich Nutzungskonflikte. Wir spüren das ja auch bei uns in der Naturfreunde-Organisation, dass vor allem der Konflikt mit den Wandernden immer virulenter wird. Dass MountainbikerInnen auf Wanderwegen unterwegs sind, liegt natürlich nicht in unserem Interesse. MountainbikerInnen nutzen auch Forststraßen, auf denen das Radfahren nicht erlaubt ist. Dadurch entstehen wiederum Nutzungskonflikte mit der Jägerschaft, der Land- und Forstwirtschaft sowie mit den Grundbesitzerinnen und -besitzern. Dass man nicht durch Wildschutzgebiete biken darf, muss den Leuten klar sein. Aber sie müssen auch wissen, dass es diese Schutzgebiete gibt. Hier könnte man mit Aufklärungsarbeit schon viel erreichen.

Der Haftungsfrage wird meiner Meinung nach viel zu viel Bedeutung beigemessen. Die Rechtslage ist nämlich nicht so dramatisch, wie sie oft dargestellt wird, und es gibt ja die Freizeit-Polizze. Auch hier braucht es entsprechende Aufklärung.

 

 

Angesichts boomender E-Bike-Verkaufszahlen wird es in Zukunft noch mehr Menschen zum Biken in die Natur ziehen. Welche Maßnahmen können das Aufkeimen neuer Konflikte vermeiden und eine effektive Lenkung erzielen?

 

Pekoll: Das Problem mit dem aktuellen E-Bike-Trend ist, dass hier eine völlig neue Nutzergruppe entsteht, die sich oft durch große Unwissenheit auszeichnet. Es bringt uns nichts, bei einem Unfall zu sagen, dass das Unfallopfer ein ungeübter E-Biker ist. Hier braucht es vor allem die Unterstützung von Freizeitorganisationen wie den Naturfreunden, entsprechende Schulungsmaßnahmen anzubieten. Auch der Handel sollte in Zukunft vermehrt in die Aufklärungsarbeit mit einbezogen werden. Dafür werde ich mich intensiv einsetzen.

 

Dumpelnik: Man muss schlicht und ergreifend sagen, dass ein E-Bike kein Fahrrad im herkömmlichen Sinn ist. Es hat einen motorisierten Antrieb, ein höheres Gewicht und ist dementsprechend anders im Handling. Der richtige Umgang mit dem E-Bike sollte also unbedingt gelernt werden. In Wahrheit ist es mit ein paar Stunden guter Einschulung getan, und dann hat man ein ganz anderes Sicherheitsempfinden, auch gegenüber anderen. Ich kann mir sogar vorstellen, dass es für bestimmte Einsatzgebiete von E-Bikes eine Prüfung gibt. Den Handel in den Aufklärungsprozess mit einzubeziehen, halte ich für eine gute Idee, weil der Kauf ja ein emotionaler Moment ist und man die Konsumentin bzw. den Konsumenten in dieser Situation sicher gut beraten kann. Auch das Anbieten von Schulungen, von Kursen oder entsprechenden Unterlagen beim E-Bike-Kauf wäre ein entscheidender Schritt hin zu mehr Sicherheit.

 

 

Wäre die Freigabe von Forststraßen nicht eine sinnvolle Lösung, um die wachsende Zahl von Mountainbikerinnen und -bikern entsprechend zu verteilen?

 

Pekoll: Dass es eine Freigabe von Forststraßen für den Ausbau unseres Streckenangebots braucht, ist ganz klar. Ich bin aber ein Gegner der generellen Freigabe, denn das würde neue Probleme mit sich bringen. Tatsache ist, dass ein Großteil der Forststraßen rein für die forstliche Nutzung gebaut wurde und daher meist in einer Sackgasse endet. Ich denke, wir müssen damit anfangen, das Thema Mountainbiken völlig neu zu denken. Gut zwei Drittel der MountainbikerInnen wollen vor allem gut ausgebaute Trails. Ziel muss es daher sein, Fortstraßen, die freigegeben werden sollen, auch entsprechend auszubauen und damit zu attraktivieren. Wir müssen also gezielt Trails anlegen. Ein fünfhundert Meter langer guter Trail ist besser, als eine fünf Kilometer lange Forststraße irgendwo mitten durch einen Wald.

 

Dumpelnik: Die Naturfreunde fordern schon seit Jahren eine Öffnung der Fortstraßen für MountainbikerInnen, weil diese helfen würde, MountainbikerInnen aus der Illegalität zu bringen. Im Moment ist es so, dass Fortstraßen aufgrund mangelnder Alternativen befahren werden, was oft rechtliche Konsequenzen nach sich zieht. Eine Öffnung der Forststraßen allein würde allerdings das Problem nicht lösen, da gebe ich Markus recht. Hier gibt es eine Vielzahl von Fragestellungen und Themen, die mit behandelt werden müssen, um ein zufriedenstellendes Angebot für alle StakeholderInnen zu schaffen. Ich bleibe aber bei unserer Forderung nach einer Öffnung der Forststraßen, weil dies eine Erleichterung bringen würde.

 

 

Gibt es in der Steiermark bereits funktionierende MTB-Projekte, die anderen Regionen als Vorbild dienen können?

 

Pekoll: Das Projekt „MTB-Region Murtal“. Der Versuch, sich mit 20 Gemeinden zusammenzutun und einheitliche Vertragsbedingungen mit einem ordentlichen Vertragspartner zu schaffen, hat Beispielcharakter. In Knittelfeld, Judenburg und Bruck an der Mur gibt es auch einige Projekte, die von der lokalen Community getragen werden. Darüber hinaus gibt es auch Projekte, die sich noch in der Planungsphase befinden.

 

Dumpelnik: Ich möchte auf den Singletrail „Brandwaldsteig“ der Naturfreunde und der Gemeinde Knittelfeld hinweisen, der im Rahmen einer mustergültigen Initiative entstanden ist. Der Trail wurde vor einem Jahr angelegt und ist ein voller Erfolg. Besonders stolz bin ich auf das positive Feedback der Jägerschaft und der Forstwirtschaft, das eine gute Grundlage für weitere Projekte ist. Das Projekt „Brandwaldsteig“ hat gezeigt, dass man mit Engagement und entsprechendem Willen eine gute Lösung erzielen kann, die allen eine Freude bereitet.

Weitere Informationen
ANZEIGE
Angebotssuche