Matthias Pilz präsentiert im Folgenden drei Genussklettertouren, die für ihn zu den schönsten im gesamten Alpenbogen und darüber hinaus zählen.
Text und Fotos: Matthias Pilz, Referent der Alpinistengilde der Naturfreunde Steiermark
Schweiz: Eldorado - „Motörhead“
Kaum eine Route in der Schweiz ist so bekannt wie die „Motörhead“ im Eldorado am Grimselsee. Die Gebrüder Remy haben mit dieser Traumroute allen Kletterbegeisterten ein großes Geschenk gemacht. Als die Brüder 1981 auf die Grimsel fuhren, dröhnte aus den Lautsprechern ihres Autos die Musik von Motörhead. Aus Respekt gegenüber der Natur blieben die Fenster geschlossen. „Die Fenster hielten stand!“, so Claude Remy. Und tatsächlich ist die Route eine Tour der Superlative und wohl einer der großen Kletterklassiker der Alpen. Die Kletterei ist anhaltend anspruchsvoll, die Route folgt einer logischen Linie. Die wilde, teilweise auch gefährliche Absicherung der Erstbegeher stellt an den Vorsteiger hohe Ansprüche an Moral und Nervenstärke. Über weite Strecken muss völlig selbstständig abgesichert werden, Bohrhaken stecken nur sehr vereinzelt. Wer also die Größen seiner Friends nicht auswendig kennt, kann gleich zu Hause bleiben.
Schwierigkeit: VII
Toureninfo: ca. 4-7 Std. Kletterzeit/Tourenlänge: 500 m, 14 Seillängen
Topo: „Schweiz plaisir WEST“, Band 1, Filidor-Verlag
Schweiz: Zervreila - „Medea“
Das Zervreilahorn liegt in der Val Lumnezia; dieses Tal in Graubünden ist in der breiten Öffentlichkeit wahrscheinlich eher für sein Open-Air-Musikfestival als für die schönen Klettertouren bekannt. Ganz hinten im Tal liegt der malerische Zervreila-Stausee; über ihm thront das Horn, das aufgrund seiner Form - zumindest vom See aus – gern als Bündner oder kleines Matterhorn bezeichnet wird. In seiner rötlichen Südwand gibt es zahlreiche Klettertouren; schon auf den ersten Blick stechen die fantastischen Verschneidungen und Risse in der gesamten Wand ins Auge. Die schönste Route ist die „Medea“, vor allem wenn man das Glück hat, die Tour allein genießen zu können. Denn für viele Schweizer Kletterinnen und Kletterer ist das Zervreilahorn kein Geheimtipp mehr, und wäre da nicht der zweistündige Zustieg, würde es hier wohl wie an den Felsen über Arco zugehen. Und selbst wer früh losgeht, hat keine Garantie; viele Seilschaften übernachten auf den malerischen Wiesen am Wandfuß.
Auf den ersten Metern geht es gleich voll zur Sache. Eine Kante mit runden Griffen führt in die Wand. Die zweite Seillänge hat es dann in sich: Eine Verschneidung, die sich mehr und mehr aufsteilt. Piazen oder doch spreizen, das ist hier die Frage. Schlussendlich heißt es durchhalten und einen mutigen Vorsteiger vorausschicken, denn die Hakenabstände zwingen gnadenlos zum Klettern. Und dann folgt auch gleich die Schlüsselstelle – sie eröffnet den Weg in den oberen Teil der Route, der dann Genuss pur verspricht.
Schwierigkeit: VIII
Toureninfo: ca. 3 Std. Kletterzeit/Tourenlänge: 250 m, 9 Seillängen
Topo: „Schweiz extrem OST“, Filidor-Verlag
Korsika: Punta di u Corbu - „Jeef“
Das Meisterwerk zum Schluss. Über keine anderen Touren wird auf Korsika mehr geschrieben als über die „Le dos de l’eléphant“ („Der Rücken des Elefanten“) und die „Jeef“. Erstere konnte ich 2016 „abhaken“, die zweite folgte im vergangenen Jahr. Die Gebrüder Petit haben mit „Jeef“ 1992 ein Meisterwerk geschaffen, das auf Korsika und wohl auch in den Alpen nur schwer eine Konkurrenz findet. Kurz davor hatte die französische Kletterin Catherine Destivelle die „Le dos de l’eléphant“ als die schönste Tour Frankreichs bezeichnet, da gab es die „Jeef“ noch nicht. Sonst wäre ihre Wahl wohl anders ausgegangen. Die Tour ist wahrlich ein Meisterwerk ihrer Erschließer und noch vielmehr der Natur, die diese unfassbare Linie gezaubert hat.
Schwierigkeitsgrad: IX-
Toureninfo: ca. 4-5 Std. Kletterzeit/Tourenlänge: 400 m, 14 Seillängen
Topo: „Bavella Corsica – Escalades choises“, FFME-Verlag
Welche Klettertour ist für dich die schönste? Ich freue mich über Nominierungen (matthias.pilz@naturfreunde.at) und werde die Vorschläge selbstverständlich nachklettern!