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Der eleganteste Grat der Alpen

International > Im August 2021 meisterten die drei steirischen Mitglieder der Alpinistengilde Österreich Karin Kanduth, Tanja Kuster und Matthias Pilz die extrem schwierige Besteigung des Peutereygrats - eine der wohl großartigsten und beeindruckendsten Routen auf den Montblanc.

Text: Matthias Pilz, Fotos: Matthias Pilz, Tanja Kuster

 

Während unseres Aufstiegs zur Monzinohütte (Rifugio Franco Monzino, 2580 m) treffen wir, wie es der Zufall will, die Huberbuam inklusive Kamerateam. Allein diese Gruppe besteht aus sechs Personen, somit ist uns klar, dass das Biwak am nächsten Tag definitiv zu klein sein wird. Dafür verbringen wir mit den Huberbuam einen lustigen Nachmittag in der Monzinohütte.

Tags darauf starten wir sehr früh Richtung Eccles-Biwak. Die zwei Biwakschachteln stehen auf etwa 3800 Metern, eine der beiden wurde durch eine Lawine im Winter davor beschädigt. Der Aufstieg führt über steile, zerrissene Gletscher. Dennoch kommen wir gut voran und klettern direkt zum unteren, ramponierten Biwak und sind zunächst von der nur leichten Schräglage überrascht. Bei näherer Inspektion zeigt sich eine Beschädigung an der Wand im Eingangsbereich, die Benutzung scheint jedoch gut möglich zu sein. Unter Anbetracht der nur etwa 40 Zentimeter breiten Liegefläche unter der Dachkrümmung des Biwaks und der damit verbundenen Tatsache, dass es unmöglich ist, sich auch nur ein wenig nachzudrehen, ist es doch sehr verwunderlich, wie gut wir schlafen können.

Noch in der Nacht steigen wir hinab zum Gletscher und über eine etwa 50 Grad steile Rinne zum Col Eccles. Jenseits klettern wir die ersten 55 Meter sehr luftig ab, dann müssen wir ein paar Mal abseilen, um schlussendlich das Freney-Becken zu erreichen. Die Querung ins Col de Peuterey ist ab hier einfach, die gigantische Spalte darunter lässt aber keinen Zweifel daran, dass bei einem kleinen Missgeschick die gesamte Seilschaft wohl für immer in den Tiefen dieses Serac-Labyrinths verschwinden würde.

Im Col de Peuterey bietet sich erstmals eine gute Rastmöglichkeit, bald geht es aber weiter. Beim Aufstieg durch das Couloir Eccles prasseln schon auf den ersten Metern Eisbrösel herab, gefolgt von einem etwa faustgroßen Stein, den ich nur mit Glück mit der Hand abwehren kann und so Schlimmeres verhindere. In schnellstmöglichem Tempo geht es weiter hinauf. Immer wieder wechseln hier Schnee, Eis und Wasser - nicht schwierig zu bewältigen, aber in ständiger Angst, bombardiert zu werden. Weiter oben queren wir nach rechts auf den Firngrat; um den Gipfel des Grand Pilier d’Angle (4243 m) zu erreichen, müssen wir ein Stück hinunterklettern, was aber gut zu schaffen ist. So stehen wir bald auf einem der exklusivsten und zugleich am wenigsten markanten Gipfel der Alpen.

Der weitere Aufstieg über den Peutereygrat gleicht einer Kingline. In unfassbarer Steilheit und Konstanz wiegt sich diese Firn- und Eisschneide himmelwärts. Etwa 500 Höhenmeter „Stairway to Heaven“ liegen vor uns, die - wie es im Führer so schön formuliert ist - bei schlechten Verhältnissen schnell zu einem mörderischen Ritt durch die Hölle werden können. Doch wir kommen bei idealen Verhältnissen gut voran. Jeder Schritt und Pickelschlag seien hier wohl überlegt, denn sicher ist nur, dass ein Fehler entweder bei einem Sturz nach links im Freney-Becken oder bei einem Sturz nach rechts im Brenva-Becken endet, beide mittlerweile mehr als 1000 Meter unter uns. Rastplätze gibt es hier heroben keine mehr, da muss der eine oder andere „nur“ 45 Grad steile Abschnitt für eine Verschnaufpause genutzt werden. Die Gipfelwechte lässt sich an der linken Seite einigermaßen einfach überklettern. Und so ist nach den Strapazen das Erreichen des Mont Blanc de Courmayeur (4748 m), auch wenn dieser nur ein völlig uninteressanter Nebengipfel ist, ein emotionaler Moment!

Der Übergang zum Montblanc ist einfach, und bald geht’s über den Papstweg hinunter zur Gonellahütte (Rifugio Francesco Gonella, 3071 m), wo wir die wohl besten Spaghetti mit Pesto unseres Lebens essen.

Der Aufstieg über den Peutereygrat (Bildmitte) gilt als die technisch herausforderndste Route auf den Montblanc.
Weitere Informationen
Querung zum Grand Pilier d’Angle
Firn- und Eispassagen mit bis zu 60 Grad Steigung erfordern absolute Trittsicherheit und starke Nerven.
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