Immer mehr Menschen zieht es zur Erholung nach draußen – doch der freie Zugang zur Natur ist nicht überall gern gesehen. In Thannhausen im Bezirk Weiz eskalierte ein Wegestreit, der vor Gericht landete. Das Urteil könnte Signalwirkung über die Region hinaus haben.
Text: Redaktion, Fotos: iStock, Matthias Pilz
Probleme mit der Bewegungsfreiheit in der Natur sind keineswegs ein neues Phänomen. Bereits mit der Industrialisierung und dem Bau von Eisenbahnen und Straßen im 19. Jahrhundert zog es immer mehr Menschen aus den Städten zur Erholung in die Natur. Mit dem wachsenden Andrang auf Wälder und Berge mehrten sich auch die Konflikte mit Grundeigentümerinnen und -eigentümern. Nach dem Ersten Weltkrieg reagierten einige Bundesländer mit ersten gesetzlichen Regelungen zum freien Wegerecht oberhalb der Waldgrenze. Auf Bundesebene wurde das Betretungsrecht schließlich im Forstgesetz 1975 verankert. Seither ist es allen Menschen gestattet, sich zu Erholungszwecken im Wald aufzuhalten. Alpine Vereine, allen voran die Naturfreunde, haben sich intensiv für dieses Recht eingesetzt.
Mehr Menschen in der Natur – mehr Konflikte
In den letzten Jahren hat sich das Freizeitverhalten der Bevölkerung spürbar verändert. Die Natur wird zunehmend als Rückzugs- und Erholungsort genutzt. Besonders seit Beginn der Corona-Pandemie hat dieser Trend stark zugenommen. Einschränkungen im Reiseverkehr, Homeoffice und der Wunsch nach gesunder Bewegung im Freien führten zu einem regelrechten Boom an Outdooraktivitäten. Ob Spazierengehen, Wandern, Biken oder Schitourengehen – viele Menschen haben die Natur neu für sich entdeckt. Doch je mehr Personen sich im Gelände bewegen, desto häufiger kommt es zu Spannungen zwischen Erholungsuchenden und Grundstückseigentümerinnen und -eigentümern. Immer öfter wird versucht, Wege zu sperren oder umzuleiten. In den meisten Fällen lassen sich derartige Streitigkeiten durch Kommunikation und Kompromisse beilegen. Nur selten müssen Gerichte eingeschaltet werden.
Wegestreit in Thannhausen kam vor Gericht
Wie schwierig es werden kann, wenn eine einvernehmliche Lösung scheitert, zeigt ein exemplarischer Fall im Bezirk Weiz. In der Gemeinde Thannhausen sperrten zwei Grundstückseigentümer im Jahr 2020 einen seit Jahrzehnten öffentlich genutzten Wanderweg. Die Naturfreunde reagierten zunächst mit einer provisorischen Umleitung entlang der Landesstraße – eine aus Sicherheitsgründen unbefriedigende Übergangslösung. In weiterer Folge wurden fünf alternative Routen vorgeschlagen, doch es konnte keine Einigung erzielt werden. Erstmals in ihrer Vereinsgeschichte sahen sich die Naturfreunde Steiermark im Jahr 2022 gezwungen, eine Klage einzureichen.
Richtungsweisendes Urteil – aber noch keine endgültige Lösung
Nach einem drei Jahre dauernden Verfahren am Bezirksgericht Weiz wurde Anfang April 2025 das Urteil verkündet: Das Gericht gab den Naturfreunden in allen Punkten recht. Es stellte fest, dass durch die mehr als 30 Jahre ununterbrochene Nutzung eine sogenannte Ersitzung des Wegerechts vorliegt. In dem vorliegenden Fall war der betroffene Weg bereits seit 1971 im Kartenmaterial der Naturfreunde als Wanderweg verzeichnet. Ausschlaggebend war zudem die lückenlose und detaillierte Dokumentation des zuständigen Wegewarts.
Das Bezirksgericht verpflichtete die beklagten Grundstückseigentümer, der grundbücherlichen Sicherstellung des Servitutsrechts zuzustimmen. Alle bestehenden Sperren sind laut Urteil zu entfernen, weitere Einschränkungen des Wegerechts untersagt. Doch das letzte Wort ist noch nicht gesprochen: Die Grundstückseigentümer haben Berufung eingelegt. Da diese eine aufschiebende Wirkung hat, bleibt der Wanderweg bis auf Weiteres gesperrt.
Die kostenlose 38-seitige Naturfreunde-Broschüre „Berg frei - Weg frei?!“ ist ein Leitfaden für alle, die im freien Gelände unterwegs sind. Sie bietet einen Überblick darüber, was man machen darf und was nicht. Der Rechtsexperte Dr. Wolfgang Stock geht auf alle Bereiche ein, in denen man zu Fuß, per Rad, mit Schiern oder Booten unterwegs sein kann - angefangen von Straßen und Wegen bis hin zu Almen, Wild- und Naturschutzgebieten.
In Österreich ist eine Fülle von jagdlichen Sperrgebieten wie Wildschutzgebieten und -ruhezonen möglich, die in jedem Bundesland unterschiedlich gehandhabt werden. Auch darüber gibt diese Broschüre umfassend Auskunft.
Download der 3., aktualisierten Auflage: