Erstmals in ihrer Geschichte gingen die Naturfreunde Steiermark 2020 wegen eines Wegerechtsstreits im Bezirk Weiz vor Gericht – und bekamen nun in allen Punkten recht. Dr. Gunther Ledolter hat die Naturfreunde rechtlich vertreten. Im Gespräch mit dem Vorsitzenden der Naturfreunde Steiermark Dr. Jürgen Dumpelnik erläutert er die rechtlichen Grundlagen des Streits.
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Warum haben sich die Naturfreunde beim Wegerechtsstreit im Bezirk Weiz letztlich für eine Klage entschieden?
Ledolter: Das freie Wegerecht ist für die alpinen Vereine ein zentrales Gut. Die Aufgabe der Naturfreunde ist es daher, sicherzustellen, dass langjährig bestehende Wanderwege für die Öffentlichkeit zugänglich bleiben. Da im konkreten Fall trotz intensivster Bemühungen keine Einigung mit den Grundstückseigentümern erzielt werden konnte, blieb leider nichts anderes übrig, als das ersessene Recht gerichtlich durchzusetzen. Die Klage umfasste den Anspruch auf Feststellung des Servitutsrechts, Beseitigung der Absperrungen, Unterlassung weiterer Störungen sowie die Duldung der zukünftigen Betreuung und Markierung des Weges.
Dumpelnik: Das Wegerecht ist ein zentrales Gut, das wir aktiv schützen müssen. In den meisten Fällen gelingt uns das auch ohne gerichtliche Auseinandersetzung. Selbst Verlegungen von Wegen lassen sich in der Regel durch Gespräche gut regeln. Im Fall Weiz aber gab es keinerlei Bereitschaft zu einem Kompromiss. Daher blieb uns keine andere Wahl, als zu klagen. Für die Naturfreunde Steiermark war das ein Novum. Umso bedeutender ist es, dass wir den Prozess gewinnen konnten. Das Urteil setzt ein klares Zeichen für ähnliche Fälle.
Welche rechtlichen Grundlagen waren im vorliegenden Fall maßgeblich?
Dumpelnik: Für die Ersitzung eines Wegerechts ist die langjährige Nutzung entscheidend. Wichtig ist die sorgfältige Dokumentation der Wegebetreuung: Wir rufen daher alle Ortsgruppen auf, ihre Wegearbeit genau festzuhalten – sei es mit Fotos, alten Karten, Tagebucheinträgen oder digitalen Routenplanungstools. Mit solchen Nachweisen wird die jahrzehntelange Nutzung belegt, was für das Urteil ausschlaggebend sein kann.
Ledolter: Nach der geltenden Gesetzeslage können alpine Vereine Wegerechte für die Allgemeinheit durch Ersitzung erwerben. Voraussetzung dafür ist, dass der Weg über mehr als 30 Jahre von der Bevölkerung als öffentlicher Weg benutzt und von den alpinen Vereinen als solcher angesehen wurde. Maßgeblich ist, dass der Weg während der Ersitzungszeit markiert und betreut wurde. Die Ersitzung bewirkt, dass die Eigentümerin oder der Eigentümer die Nutzung durch die Bevölkerung nicht verhindern darf und es ihr bzw. ihm untersagt ist, das ersessene Wegerecht etwa durch Verbotsschilder oder Absperrungen einzuschränken.
Inwieweit hat dieses Urteil eine Signalwirkung?
Dumpelnik: Es gibt leider zunehmend die Tendenz, dass Eigentümerinnen und Eigentümer eigenmächtig und unrechtmäßig Wege sperren. Dieses Urteil ist ein deutliches Signal an jene, die glauben, Wegerechte einfach beschneiden zu können. Wir Naturfreunde haben mit der Klage gezeigt, dass wir auch bereit sind, das Wegerecht notfalls vor Gericht zu verteidigen.
Ledolter: Auseinandersetzungen über Bestand, Ausmaß und Umfang von Wegerechten bergen großes Konfliktpotenzial. In Kenntnis dessen gehen die Naturfreunde stets konsensorientiert vor, müssen aber die Interessen der Öffentlichkeit und ihrer Mitglieder entschieden vertreten. Eine in Einzelfällen nicht vermeidbare Klagsführung zeigt auch, dass das Versperren von seit Jahrzehnten bestehenden Wanderwegen nicht widerspruchslos hingenommen wird.
Sollte die Wegefreiheit gesetzlich besser geschützt werden?
Ledolter: Die gesetzlichen Regelungen zum Erwerb von Wegerechten, insbesondere im Hinblick auf Wanderwege, sind aus unserer Sicht klar und ausreichend. Die Gerichte haben sich bereits vielfach mit Servitutsstreitigkeiten befasst, und es existieren für die Auslegung klare Regeln. Auch der Nachweis der Ersitzung gestaltet sich in der Praxis oft unkompliziert, da zahlreiche Wanderinnen und Wanderer die langjährige Nutzung und Markierung über Jahrzehnte hinweg bezeugen können.
Dumpelnik: Ich sehe ebenfalls keinen unmittelbaren Bedarf, die Gesetzeslage zu ändern. Was es aber braucht, ist ein stärkeres Bewusstsein bei allen Beteiligten – insbesondere bei Grundbesitzerinnen und -besitzern und deren Interessenvertretungen. Die Politik kann hier unterstützend wirken, indem sie über Rechte und Pflichten aufklärt. Es geht nicht nur um Eigentumsschutz, sondern auch um das Verständnis, dass öffentlich genutzte Wege einen gesellschaftlichen Wert haben. Nur wenn alle Seiten gemeinsam an einem Strang ziehen, lässt sich ein gutes Miteinander gestalten – das sollte unser Ziel sein, um gerichtliche Auseinandersetzungen künftig zu vermeiden.
Weitere Infos über den Wegerechtsstreit im Bezirk Weiz siehe Seite 36