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Berge erleben und bewahren

Bergsteigerlegende Reinhold Messner im Gespräch mit dem Vorsitzenden der Naturfreunde Steiermark Dr. Jürgen Dumpelnik über die Anziehungskraft der Berge, Herausforderungen durch Klimawandel und Tourismus sowie die Rolle alpiner Vereine.

 

 

Immer mehr Menschen zieht es in ihrer Freizeit in die Berge. Was fasziniert uns so an den Bergen?

 

Messner: Das müssen all jene beantworten, die es tun. Es gibt so viele Antworten wie Akteure. Viele gehen zum Wandern ins Gebirge, wegen der Landschaft, der Stille, der Entschleunigung. Die Summe aus Natur- und Kulturlandschaft ist das Faszinierende, die Übersicht von oben, die Zeitlosigkeit.

 

Dumpelnik: Seit mehr als 125 Jahren möchten die Naturfreunde Menschen aus allen Schichten Naturerlebnisse vermitteln. Das ist der wahre Kern unseres Tuns. Die Faszination der Berge liegt wohl in der reinen Form des Naturerlebnisses. Hier lösen sich Alltagstrubel, Stress und Stadthektik auf. Die Berge üben Faszination aus, da sie Raum zur Selbstreflexion bieten und als Katalysator dienen, um zu sich selbst zu finden.

 

 

Klimawandel und Tourismus stellen die Alpen vor große Herausforderungen. Wie können wir angemessen auf diese Probleme reagieren?

 

Messner: Der Klimawandel ist auf die globale Erwärmung zurückzuführen - wenigstens teilweise. Weltweit den Verbrauch fossiler Brennstoffe zurückzufahren wäre eine Möglichkeit, das Problem einzugrenzen. Die Industrie, weniger der Tourismus, verursacht die Schäden.

 

Dumpelnik: Der Klimawandel und der Tourismus sind separate Themen, welche die Alpen herausfordern. Der Klimawandel resultiert aus der menschlich verursachten Erwärmung der Atmosphäre. Die Temperaturrekorde im heurigen Sommer verdeutlichen die Dringlichkeit. Hier sind globale Bemühungen nötig. Für den Tourismus gilt es, Überlastung und Overtourism zu vermeiden. Jeder von uns sollte umweltbewusster reisen, Nutzungskonflikte minimieren, intakte Natur bewahren. Beim Klimawandel sind kollektive Maßnahmen notwendig, beim Tourismus sind individuelle Achtsamkeit und nachhaltige Entscheidungen gefragt.

 

 

Welche Rolle kommt alpinen Vereinen wie den Naturfreunden zu?

 

Messner: Die alpinen Vereine (DAV, ÖAV, CAI, CAF, Naturfreunde etc.) verfolgen weniger den traditionellen Alpinismus als vielmehr das Klettern als Sport (Indoor) und das Bergsteigen als Tourismus. Gut finde ich es, wenn die alpinen Vereine ihre Mitglieder dazu motivieren, zu den Ausgangspunkten von Bergtourenbzw. zu Kletterhallen mit Öffis oderper Rad anzureisen.Den Massentourismus imHimalaya weiter zu fördern oder gar (Hubschrauber-)Flüge – etwa zum oder über den Mount Everest – anzubieten lehne ich sowohl aus bergsteigerischer Sicht als auch im Hinblick auf den Natur- und Klimaschutz ab.

 

Dumpelnik: Alpine Vereine wie die Naturfreunde spielen eine zentrale Rolle, da sie als Vorbilder dienen. Professionelle Bergsteiger*innen wie Gerlinde Kaltenbrunner, die auch für die Naturfreunde unterwegs war, inspirieren Menschen dazu, sich intensiver mit Bergsport zu beschäftigen. Zudem sind alpine Vereine essenziell, um Regeln in den Bergen zu etablieren. Sie vermitteln Verhaltensnormen, bieten Ausbildungen und beugen dadurch unvorbereiteten Bergaktivitäten vor. Durch Aufklärung und Fairness-Regeln ermöglichen sie ein sicheres Naturerleben und verhindern Gefahren für Bergsteiger*innen und die alpine Umwelt.

 

 

Mit dem aktuellen Outdoor-Boom nehmen auch Wegestreitigkeiten und Grundstückssperren in Österreich zu. Braucht es ein Grundrecht auf freien Zugang zur Natur?

 

Messner: Das Verhalten der Touristen - Massenansammlungen an Hotspots, Respektlosigkeit gegenüber der Bergbauerngesellschaft, Picknick-Tourismus, Überheblichkeit gegenüber den alpinen Gefahren -  lässt über Beschränkungen nachdenken. Von Verboten halte ich nichts. Auf Berge zu steigen hat mehr mit Kultur als mit Sport zu tun. In meinem Buch „Rettet die Berge“ gehe ich auf diese Thematik ein.

 

Dumpelnik: Ja, ein Grundrecht auf freien Zugang zur Natur ist notwendig, ebenso der Erhalt bzw. der Ausbau der Wegefreiheit. Es bedarf einer klaren rechtlichen Absicherung für Freizeitnutzende, ähnlich wie in Bayern oder Südtirol. Dennoch dürfen Fairness und respektvolles Verhalten nicht vernachlässigt werden. Reinhold Messner fordert zu Recht mehr Respekt gegenüber Bergbäuerinnen und -bauern, Tieren sowie der Umwelt. Regeln, Aufklärung, Kommunikation und Ausbildung sind entscheidend. Nur durch gegenseitigen Respekt lassen sich Nutzungskonflikte verhindern.

Reinhold Messner fürchtet die zunehmende Zerstörung der Bergwelt und fordert einen ökologisch nachhaltigen Umgang mit der Natur.
Sehnsuchtsort Gebirge: Mächtige Felswände und eisige Gipfel üben seit jeher auf viele Menschen eine ungeheure Anziehungskraft aus.
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